Niedersächsische Landeszentrale für Politische Bildung

Mit dem Entschließungsantrag 17/4526 arbeitet Niedersachsen an der Wiedereinrichtung einer Landeszentrale für Politische Bildung. Politik zum Anfassen e.V. wurde gebeten, im Ausschuss für Wissenschaft und Kultur im Rahmen einer Anhörung dazu Stellung zu nehmen.
Hier sind unsere Ideen zu einer Landeszentrale, die eine sinnvolle Ergänzung der 16 vorhandenen Zentralen und Vorbild für die Zukunft aller Landeszentralen wird - und nicht Nummer 17, die irgendwer irgendwann wieder einsparen wird.
Die inspiriert, vermittelt, zusammenbringt, unterstützt, beteiligt.
Die Projekte immer nur gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Partnern macht. Nie allein.
Vorweg etwas Über uns
Wir glauben, dass man mit Demokratie alle Probleme lösen kann. Und wir glauben auch, dass Demokratie nur dann am besten funktioniert, wenn alle mitmachen, mitdenken, mitreden und nicht nur zuschauen oder sogar wegsehen. 
Unsere Geschichte ist eine dieser typischen Sozialunternehmer-Storys: Wir wollten Lust auf Demokratie machen und haben vor ziemlich genau 10 Jahren bei uns in der Küche angefangen, die ersten Projekte zu planen und zu entwickeln. Als Hobby nach Feierabend. Zu zweit. Mit einer Schulklasse in Neustadt am Rübenberge. 25 Schüler der Haupt- und Realschule Leineschule. Weil wir da über drei Ecken eine Lehrerin kannten, die sich auf das Experiment einließ, ein Projekt zu machen, was esp noch nie gab mit einem Verein, den es noch nicht gab. 
Wir hatten die Idee, zusammen mit jungen Freiwilligen die besten Methoden und Projekte zu entwickeln, um Politik handlungsorinetiert zu vermitteln und Menschen mitreden und miterleben zu lassen: Aktuell, abwechslungsreich, fordernd und mit viel Spaß. Für alle, nicht nur für Gymnasiasten. Planspiele, Umfragen, Filme und viele andere Bildungs- und Medienprojekte.
Dann kamen mehr Kommunen hinzu, mehr Schulen, mehr Freiwillige, die irgendwann zu Mitarbeiterinnen wurden, noch mehr Projekte, immer neue Projektpartner, weitere Bundesländer.
Heute, 10 Jahre später, sind wir 6 Festangestellte, haben eine Auszubildende, 9 FSJ- und BFD-Stellen, gleichzeitig immer mindestens 3 Praktikantinnen und Praktikanten aus allen Fachrichtungen von überall auf der Welt - 18 Menschen arbeiten bei uns Vollzeit in Politischen Bildungsprojekten, projektweise unterstützt von ungefähr 70 Ehemaligen und Ehrenamtlichen. In vier Bundesländern führen wir jedes Jahr Projekte an über 50 Schulen mit gut 2500 Schülerinnen und Schülern durch. (Diese Zahl wird sich durch ein fantastisches Kooperationsprojekt mit dem Niedersächsischen Kultusministerium auf knapp 10.000 Schülerinnen und Schüler in diesem Jahr erhöhen!) In Umfragen lassen wir Schüler als Sozialforscher z.B. bei der Neuorganisation der Kinder- und Jugendarbeit mitreden. Im Kinderrat diskutieren Grundschüler ihre Ideen zur Kommunalpolitik im Rathaus. Unser Planspiel "Pimp Your Town!" (auf Fehmarn heißt es "Pimp My Island!"), das 2009 von MP Stephan Weil in Auftrag gegeben wurde, beteiligt und begeistert jedes Jahr 1500 Schüler in einem Politik-Event und ist als Bundessieger im Wettbewerb "365 Orte im Land der Ideen" als beste Bildungsidee Deutschlands ausgezeichnet worden. Wir waren Startsocial-Stipendiaten und mittlerweile auch Startsocial-Juroren und -Coaches, Verantwortliche der Robert-Bosch-Stiftung, Integrationspreisträger des Deutsch-Türkischen-Netzwerks in Niedersachsen und der Landeshauptstadt Hannover, Mitbegründer der Allianz Vielfältige Demokratie der Bertelsmann-Stiftung, haben das Medienzentrum des Niedersächsischen Innenministeriums beim Tag der Deutschen Einheit in Frankfurt und beim Tag der Niedersachsen in Hildesheim betreut, sind schon für die Eröffnung des Museums Friedland gebucht und unser Film mit der Realschule Isernhagen über einen kleinen niedersächsischen Familienzirkus wurde in Singapur aus knapp 700 Schülerfilmen zu einem der besten 7 der Welt gewählt.
Das alles begann 2006, genau ein Jahr, nachdem die Landeszentrale für Politische Bildung in Niedersachsen geschlossen wurde. Wir haben bis heute keinen Cent institutioneller Förderung und keine einzige Stelle gefördert bekommen und finanzieren uns ausschließlich projektbezogen. Wir arbeiten unabhängig, niedrigschwellig, äußerst zielgruppengerecht und begeistern Menschen für demokratische Prozesse und Partizipation. Wirklich überzeugend geht das nämlich nur durch zivilgesellschaftliches Engagement, nicht staatlich verordnet.
Hätte es unser Engagement gegeben, wenn es eine Landeszentrale für Politische Bildung gegeben hätte? Hätte sich unser Verein so entwickeln können? Hätten wir den Raum für unsere Projekte bekommen und die Mittel dazu akquirieren können?
Hätten die Kommunen die Politische Bildung für sich entdeckt, wenn es eine Landeszentrale gegeben hätte? Hätten sie sich nicht darauf zurückgezogen, dass es die Landeszentrale gibt?
Aber wir sind ja nicht eingeladen, Fragen zu stellen (schon gar nicht welche, die niemand beantworten kann), sondern Antworten zu geben und das tun wir gern. Denn die Landeszentrale, die Niedersachsen braucht und die wir uns vorstellen, hätte unsere Entwicklung unterstützt und beschleunigt.
Unsere Ideen für die Landeszentrale
Grundsätzlich begrüßen wir die Idee sehr, wieder eine Landeszentrale für Politische Bildung einzurichten. So eine Landeszentrale kann Politische Bildung noch stärker in den Fokus der Öffentlichkeit rücken und sie zeigt auch, wie wichtig Politische Bildung ist. Was es nicht heißt ist, das es vorher 11 Jahre lang keine Politische Bildung in Niedersachsen gegeben hätte oder in minderwertiger Qualität. Sie war nur auf ganz viele Schultern verteilt und in den einzelnen Ministerien versteckt. Die große Chance einer Landeszentrale besteht darin, Politische Bildung sichtbar zu machen und als echte Zentrale zu fungieren!
Wir haben einige Ideen, wie die Arbeit der Landeszentrale aussehen müsste und diese unterstützen viele Forderungen aus dem Entschließungsatrag.
Landeszentralen sind ja üblicherweise unüberschaubare Gemischtwarenläden: Gedenkstätten, Extremismus, Rechts, Bildung, Schriftenreihen, Tagungen, Schule, Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Flüchtlinge, Landespolitik, kommunale Ebene, Forschung,... Jede Landeszentrale macht alles und nur wenige Dinge wirklich richtig gut. Dazu kommt, dass es diese Einrichtungen schon zusammen mit der Bundeszentrale 16x in Deutschland gibt. Wirklich niemandem ist mit einer 17. Kopie des üblichen Sammelsuriums geholfen.
Die Niedersächsische Landeszentrale für Politische Bildung sollte anders sein: Sie muss vermitteln, vernetzen, unterstützen, inspirieren und beteiligen. Und wenn sie Projekte macht, macht sie diese immer nur gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Partner. Nie allein.
Vermitteln 
Niedersachsen braucht eine Landeszentrale, die für Politische Bildung wirbt und dann Angebot und Nachfrage vermittelt. Die weiß, wo es die tollsten Projekte gibt und wo und von wem diese durchgeführt werden. Die online sammelt, was es gibt und offline fördert. Die ansprechbar ist bei Problemen.
 
Zusammenbringen
Niedersachsen braucht eine Landeszentrale, die Partner zusammenbringt, die sich heute noch gar nicht kennen. Die Zivilgesellschaft und Verwaltungen vernetzt. Damit würde eine Landeszentrale eine echte "Zentrale". Zentralen sollen Leitstellen sein, die Angebote koordinieren. Eine Leitstelle nimmt Informationen entgegen und koordiniert den Einsatz - sie löscht nicht selbst das brennende Haus. Wer leitet, arbeitet nicht operativ.
Unterstützen
Niedersachsen braucht eine Landeszentrale, die zivilgesellschaftliches Engagement fördert und unterstützt, statt Initiativen mit eigenen hochsubventionierten Projekten übertrumpfen zu wollen. Wenn wir als Verein etwas Neues hören oder eine Idee haben, probieren wir sie kurzerhand aus. Wenn sie funktioniert, machen wir mehr davon, entwickeln sie weiter, verbessern sie. Wenn sie nicht nicht funktioniert, denken wir uns etwas anderes aus. Ohne Anfragen, Dezernentenrunden oder Anmerkungen in grüner, roter oder lila Stiftfarbe. Diese Freiheit, Kreativität, Schnelligkeit und Flexibilität gibt es nur in NGOs und darum sollte die Landeszentrale diese Vorteile externer Partner nutzen.
Inspirieren
Niedersachsen braucht eine Landeszentrale, die inspiriert und vordenkt. Mit Hilfe der Organisationen, Initiativen, Vereine und Verbände, die vor Ort in Projekten arbeiten, sollte sie neue Trends erkennen, neue Methoden ausprobieren, Tools entwickeln und bereitstellen für die konkrete Arbeit: Eine Beteiligungs-App, die man vor Ort lokalisieren und mit der man Ideen und Vorhaben diskutieren und konkretisieren kann. Ein Abstimmung-Tool. Eine Sammlung der besten Lehrvideos. Unterrichtsmaterialien für Smartboards und als iBooks. Medien sind nach unserer Erfahrung perfekt mit Politischer Bildung kombinierbar und motivieren besonders junge Menschen zu eigener Recherche und Produktion.
 
Beteiligen
Niedersachsen braucht eine Landeszentrale, die mitreden lässt. Politische Bildung ist für uns untrennbar mit Beteiligung verknüpft. Wissen ist die Grundlage für gute Beteiligung und Mitreden gehört zu Politik und Bildung dazu. Darum sollte die Landeszentrale immer auch die Zielgruppen mit einbeziehen, für die sie arbeitet und nicht allein Entscheidungen treffen. Vielleicht könnte man ein Schülerparlament mit der Entwicklung von Aufgaben befassen. Oder die vielen Schülergruppen nutzen, die den Landtag besuchen. Wie man sowas macht, ohne einen starren Beirat zu gründen, wissen wir - und helfen gern! Darüber hinaus funktioniert das auch anders herum: Durch Politische Bildung kann ganz wunderbar Beteiligung erreicht werden.
 
Schulen und Jugendarbeit
Bis 2030 wird die Zahl der Unter-20jährigen um 20% sinken. Niedersachsen braucht genau deshalb eine Landeszentrale, deren besonderer Fokus auf Politischer Bildung und Beteiligung junger Menschen liegt. Durch Schule und Jugendarbeit wird diese Zielgruppe perfekt erreicht, die durch den zunehmenden Minderheitenstatus wegen des demographischen Wandels immer weniger in der Politik repräsentiert sein wird.

  

 

 

So eine Landeszentrale wäre eine sinnvolle Ergänzung der 16 vorhandenen Zentralen und Vorbild für die Zukunft aller Landeszentralen - nicht Nummer 17, die irgendwer irgendwann wieder einsparen wird.